Heliskiing – oder: ein Trip zur Grundsatzfrage des Reisens

Heliskiing – oder: ein Trip zur Grundsatzfrage des Reisens

Heliskiing macht mehr als nur Spaß. Und wird gleichzeitig heftig angefeindet: Anegblich aus Umweltschutzgründen. Doch genau das wirft eine Grundsatzfrage auf: Soll man einer Elite den teuren Spaß verbieten – während der Massentourismus weit schlimmere Folgen hat? Heliskiing-Bashing ist auch ein Stück Neiddebatte.

Roman Rafreider war am schnellsten: Als ich vergangene Woche auf Instagram ein Kürzest-Video einer feinen und sonnigen Powder-Abfahrt veröffentlichte, kommentierte der ORF-Anchorman binnen Minuten: „Ist Heliskiing nicht das mit dem furchtbaren Fußabdruck? Umwelt und so?“

©Tom Rottenberg

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Was soll ich da drauf sagen? Noch dazu einem, von dem ich weiß, dass er auch ein leidenschaftlicher (und richtige guter) Skifahrer ist: Rafreider hat mit seinem Ordnungsruf natürlich recht. Heliskiing ist nicht Langlaufen. Nicht Schneeschuhwandern. Nicht Skitourengehen: Aus einem Helikopter kommen hinten keine Lavendel-Essenzen. Er bewegt seine Rotoren auch nicht durch Sonnenenergie. Weiß ich eh. Stimmt alles.

©Tom Rottenberg

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Aber trotzdem:  Ich fand es großartig. Und stehe dazu: Die Zeit, die ich gerade in Gudauri, einer Region im Kaukasus genau an der europäisch-asiatischen Grenze verbracht habe, waren mit das geilste, was ich in den Bergen je erlebt habe.

©Tom Rottenberg

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„Gudauri Heliskiing“ – ein Zweig des österreichischen Hubschrauber-Unternehmens „Wucher Helikopter“ – hatte mich eingeladen, mir anzusehen, wie heute jedermann (und jedefrau) Skifahren kann. Vorausgesetzt, man legt 7000 Euro dafür auf die Budel.

©Tom Rottenberg

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Um es gleich vorweg zu sagen: Ich könnte mir das nicht leisten. Und bevor ich das erste Mal in den Heli stieg, der mich binnen zwei Minuten von 1900 Metern (unserem Hotel) auf 3700 Meter (dem ersten Startpunkt dieses Tages, am Fuße des „Kasbek“, dem 5047 Meter hohen Traumgipfel dieser Region) brachte, hätte ich mir mit dem „geht eigentlich gar nicht“ genauso leicht getan, wie Rafreider es mit seiner Frage signalisierte.

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Aber dann … Nein, ich erzähle Ihnen jetzt nichts davon, was eh sonnenklar ist. Erspare mir und Ihnen Alpin- und Powder-Superlative und Heissa-Juchhee-Floskeln. Weil all das noch untertrieben ist. Weil Heliskiing – bei gutem Wetter und gutem Schnee – noch ungefähr dreimal so super ist, wie es auf den Bildern aussieht, von denen ich Ihnen jetzt ein paar hier, aber demnächst noch viel mehr auf meinem Blog und diesem Youtube-Link um die Ohren schnalze: Geschenkt.

Was mich umdenken ließ – oder zumindest nachdenklich machte -, ist das, was einer der anderen (zahlenden) Heliski-Gäste sagte, als ich von Rafreiders Einwurf erzählte: „Ich war mal in Kanada beim Heliskiing. Dort haben wir auch diskutiert. Und die Kanadier sagen: Stimmt alles – aber dort, wo nicht Hubschrauber für einige Wenige fliegen, knallt man Mega-Resorts für die Massen hin – und das hat in Summe weit schlimmere Auswirkungen, als ein paar Chopper, die sich über diese riesige Fläche verlieren.“

©Tom Rottenberg

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Das „aber“, das Ihnen auf der Zunge liegt, kenne ich selbst: Nur weil etwas insgesamt und dann, wenn es nur einige – reiche – Wenige tun, weniger gravierende Auswirkungen hat, als das Gesamtresultat, wenn es Zigtausende Durchschnittverdiener tun, ist ein sehr elitärer, geradezu aristokratischer Ansatz. Untermauert den Satz, dass die die haben, mehr dürfen, als jene, die nicht haben. Dass Minderheitenprogramme Vorrang und andere Regeln haben sollen: Das klingt nicht nur undemokratisch: Das ist es auch.

©Tom Rottenberg

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Blöderweise spiegelt aber genau das die Wirklichkeit ganz gut wieder. Nicht nur die des Heliskiings: Flächen-, Energie- und Wasserverbrauch der großen Skigebiete SIND aus ökologischer und klimapolitischer Sicht schlichtweg Wahnwitz.Und zwar genau seit dem Augenblick, seit dem jeder Normalverdiener – mit gutem, demokratisch legitimierten Recht – den gleichen Komfort auf Liften und Pisten des Arlbergs (oder wo auch immer) verlangt, den auch das schwedische Königshaus dort genießt.

©Tom Rottenberg

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Und auch wenn sich Anna Durchschnitt und Otto Normalverbraucher keine eigene hochseetaugliche Yacht leisten können, sind Kreuzfahrten mittlerweile Massenprodukte für den Mittelstand: Zu Fragen, was so ein Kreuzfahrtschiff an Diesel verputzt und an Dreck ausspuckt, sparen wir bei der Buchungsanfrage im Reisebüro tunlichst aus. Dass da neben den „normalen“ Schiffsemissionen noch die eines 5000-Köpfe-Ferienresorts dazukommen, wollen wir lieber gar nicht wissen. Und dass es vermutlich eine Korelation zwischen strandenden Walen und dem Unterwasserlärm von Schiffsschrauben gibt – und die Zahl der Kreuzfahrtschiffe rasant steigt, weil Kreuzfahrten DAS Boomsegment im Reisemarkt … und so weiter.

©Tom Rottenberg

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Gut, keine Kreuzfahrt: Fliegen wir halt nach Thailand. Auf die Phillipinen. Nach Hawaii. Oder „nur“ nach New York – um dort in Shops einkaufen zu gehen, die es auch bei uns gibt: Was für das internationale Jet-Set recht ist, muss (und soll) für unsereinen billig sein: Wir wollen dürfen. Aus Gründen der Gleichheit. Nachvollziehbar.

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©Rene Guhl

Heliskiing passt da gut. Weil es nämlich – abseits des finanziell-elitären Aspektes – eine Frage aufwirft, die wir anderswo schlicht und einfach ignorieren: Wer soll entscheiden dürfen, wer etwas darf – und wer nicht. Und wann man – vor wessen Nase – die Grenze dicht macht. (Aber ich bleibe jetzt ganz bewusst beim Thema Reisen & Urlaub.)

©Tom Rottenberg

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Beim Skitourengehen sind wir längst mitten in dieser Diskussion. Beim Mountainbiken auch: Solange es nur einige Wenige taten, „verspielte“ es sich. Tat keinem weh. Man brauchte keinen Richter, weil da kein Kläger … und so weiter.

©Tom Rottenberg

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Jetzt ist all das Trend. Hat aber – noch – ein sauberes Image: Ich war in den letzten Jahren zum Skitourengehen unter anderem in Norwegen, in Island und in Marokko. Die gleichen Leute, die mir jetzt das Heliskiing um die Ohren schnalzen klopften mir da auf die Schultern. Weil: Skitourengehen ist „grün“.  Dass ich weder nach Lyngen noch in den Hohen Atlas mit dem Fahrrad gefahren bin, blendet man da konsequent aus.

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Umgekehrt bekam ich schon Watschen, weil ich ein paar tausende Kilometer (nach New York) geflogen bin – um dann 42 Kilometer zu laufen. Von Leuten, die für zwei Wochen nach Kuba oder nach Mallorca zum Sonne tanken im All-Inc-Resort fliegen.

©Tom Rottenberg

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Das Dilemma existiert längst auch dort, wo die Luft wirklich dünn wird: Als ich einmal Reinhold Messner interviewte, kam er rasch zu einem seiner Hauptthemen: Dem Himalaya-Massentourismus und der „Entweihung“ der höchsten Gipfel und einsamsten Regionen durch Expeditions- und Adventure-Veranstalter. Doch Messner – dessen Namen zu nennen alleine reicht, um menschen Lust auf Berge und Abenteuer zu machen – wußte ebenfalls keine Antwort auf die Frage, wer die Entscheidung treffen dürfen soll, anderen jenes Vergnügen zu verbieten, das in Kleinstmengen kaum relevante, in großer Dosierung aber untragbare Auswirkungen hat.

©Tom Rottenberg

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Auch wenn das super undemokratisch ist und jeder political correctness widerspricht: Vermutlich ist die Summe, die man für derlei Vergnügen hinlegen muss, tatsächlich das einzige funktionierende Regulativ.

DCIM163GOPRO

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Und weil ich jetzt eh gleich Watschen bekommen werde, kann ich als Schlusssatz noch eines hinzufügen:

Ja, ich würde wieder Heliskiing gehen. Sofort.

Und wenn ich die 7000 Euro dafür stehlen muss.

©Tom Rottenberg

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Nachsatz:

  • Eine Geschichte über das Heliskiing mit Benni Raich (und einen zum Glück glimpflich verlaufenen Lawinenabgang) gibt es auf Fisch & Fleisch.
  • Dier Reise nach Gudauri war eine Enladung von Gudauri Heliskiing.