Athenmarathon: Die Stadtrunde vorher

Athenmarathon: Die Stadtrunde vorher

Ich war ja noch nie in Athen. Jedenfalls nicht wirklich: Gelandet und nach anderswohin weitergefahren bin ich von hier schon öfter. Meistens auf den Peloponnes. Aber Athen selbst? Ergab sich bisher nie. Umso netter, dass sich am Tag vor dem Athen-Marathon eine Runde durch die Stadt ausging. Noch netter, dass unsere Gastgeber uns da auch eine Stadttour spendierten – auch wenn die nix für uns war.

©Tom Rottenberg

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Aber der Reihe nach: Natascha Marakovits, meine laufende und laufbloggende Kollegin vom Kurier, und ich waren ja zum Athen-Marathon eingeladen worden. Und auch wenn solche Trips sich dann in den Geschichten wie kleine, schwerelose Zwischenurlaube lesen sollen, ist das doch Arbeit. Das ist zwar jetzt Jammern auf sehr hohem Niveau, aber auf einem Pressetrip kann man auch Pech mit der Gesellschaft haben: Nicht immer ist die Kollegin, mit der man da Seite an Seite im Flieger sitzt, tatsächlich jemand, mit dem man gerne ein paar Tage gemeinsam verbringt. Mit Natascha zu verreisen ist da – auf 1001 Arten – ein Glücksfall.

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Der Flug – die Reise war eine Einladung von Discover Greece und Visit Greece. Wir flogen daher mit dem griechischen Carrier Aegean – war verspätet aber ruhig. Abgsehen davon, dass ich – wieder mal – den Joker gezogen hatte und hinter mir das einzige Kleinkind des ganzen (proppenvollen) Fliegers am Schoß seiner Mutter saß: Babies können und verstehen den Druckausgleich noch nicht. Sie bewegen sich – und Flugzeugrückenlehnen sind dünn. Aber: Das ist halt so. Und bei einem 100 Minuten-Flug überlebt auch eine Prinzessin wie ich sowas ganz gut.

Wichtiger ist mir, dass ich mich in fremden Städten nicht mühsam vom Airport ins Hotel quälen muss. Drum ist der Taxifahrer mit dem Schild im Ankunftsbereich immer der erste Freund, den man in einer neuen Stadt dann hat.

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Habe ich erwähnt, dass ich eine Reise-Prinzessin bin? Zumindest dann, wenn man mich lässt. Und die Griechen ließen mich: Ich habe schon deutlich weniger feudal gewohnt als im Hilton. Aber auch in Fünfsternhäusern gibt es dann immer noch die tollen und die tolleren Zimmer: Das Wort Executive-Floor ist da etwas, das meine Augen leuchten lässt. Nicht, dass ich – müde wie ich war – anderswo nicht auch wie ein Stein ins Bett gefallen wäre. Aber die eigene Kaffeemaschine und der Ausblick von den oberen Etagen ist dann eben doch was Feines.

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Wobei der Blick erst das Zweite war, was mir auffiel: Dass das Zimmer im 12. Stock direkt auf die Akropolis zeigt, war einfach der Bonus vom Bonus – auch wenn mein iPhone mit der Distanz und der Dunkelheit ein bisserl überfordert war.

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Und ich das Hammer-Panorama erst in der Früh so richtig genießen konnte.

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Denn am Abend hatte ich mich – mit letzter Aufmerksamkeit – noch auf etwas Anderes konzentriert: Unsere Gastgeber hatten uns die Lauf-Packs bereits aufs Zimmer bringen lassen. Also Startnummer, Shirts und Infos. Angesichts der Tatsache, dass die Startnummernausgabe zum Marathon nicht ganz im Zentrum der Stadt liegt, noch ein weiterer Grund zu jubeln.

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Dass die Infos fast ausschließlich griechisch sind? Nicht optimal – aber: Was solls. Das, was ich über den Lauf schreiben werde, kann ich mir ja – abgesehen von dem, was ich hoffentlich noch sehen und erleben werde – im Netz zusammensuchen.

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Das Hilton hatte uns eingeladen, weil es sich als „Marathon-Hotel“ profilieren will. Also als Haus, das sich speziell auf die Bedürfnisse von Läuferinnen und Läufern eingestellt hat. Klingt gut. Und auf den ersten Blick passt das auch perfekt: Schon bei der Rezeption liegen Flugblätter auf, die Starterinnen und Startern besondere Massage-Packages anbieten – und sie für nach den Lauf auf die Dachterrasse einladen.

Außerdem ist man stolz auf die Marathon-Skulptur die unmittelbar vor dem Hotel steht: Die Marathonstrecke führt hier vorbei. Und man will den Läufern zeigen, dass man sich der großen Athener Lauftradition bewusst ist.

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Freilich: Das Wichtigste was Läufer von einem Marathon-Hotel brauchen, hat man hier (noch) nicht ganz verstanden. Gerade auf der Langstrecke ist perfektes Ernährungstiming ein ganz zentrales Thema. Und es gehört zum kleinen Einmaleins jedes Anfängerlaufbuches, darauf hinzuweisen, dass das Frühstück am Marathontag spätestens vier Stunden vor dem Start sein sollte. Ich bin in Berlin, New York und Palma Marathon-Hotelgast gewesen – und überall war da das Läufer -Frühstück auf den Start hin getimed. Auch in Punta Skala, wo ich beim Halbdistanz-Triathlon war, gab es Starter-Frühstückszeiten – wenn auch nicht im Fünf- sondern dem benachbarten Viersternehaus.

Im Hilton in Athen sah man mich aber mit großen Augen an, als ich fragte, ob es wirklich ernst gemeint sei, den Frühstücksbereich erst drei Stunden vor dem Start zu öffnen: Das mit den vier Stunden hatte den Leuten im Hotel allem Anschein nach noch nie jemand gesagt…

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Aber vieleicht kriegen die das ja doch noch auf die Reihe.

Heute, am Samstag, hieß es jedenfalls „Touriprogramm“ – und während ich in den Mails meiner Freunde aus Wien las, dass es daheim schneeregnerisch grausigunwirtlich war, frühstückte ich kurzärmelig – und am Balkon des Executive-Floor-Frühstücksraumes. Dass der Baukran die Akropolis halb verdeckte, konnte ich da gerade noch verkraften.

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Natascha und ich waren noch nie in Athen gewesen. Umso netter, dass man uns eine geführte Stadttour ins Programm eingepflegt hatte: Vier Stunden, sagte Hermes, der Guide von „Athen Insiders“, würde er uns durch das antike Athen führen.

Dann begann er zu erzählen. Und begann – da der Großteil der Gruppe Amerikaner und Neuseeländer waren aber auch die Anderen allem Anschein nach noch nie etwas von der Kultur und der Geschichte Griechenlands gehört hatten – quasi bei Adam & Eva: Natascha und ich warn nach zehn Minuten fluchtbereit – und da standen wird erst bei der ersten Station, der Wachablöse beim Parlament.

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Nichts gegen Hermes: Er war freundlich, superkompetent und eloquent. Und die Tour enthielt alles, was so eine Tour enthalten muss. Nur: Nicht für uns. Journalisten sind entweder ignoranter oder schneller als normale Touristen. In jedem Fall aber gehören wir nicht zu jener Old-School-Kundengruppe, die sich gerne mit Jahreszahl- und Könisgnamenreihen füttern lässt, die sich dann ohnehin keiner merkt: Geschichte lebt für mich von Geschichten. Von Fragen. Und dem Verweis auf Widersprüche. Etwa dem, warum kein Land der Welt je so pleite sein kann, sich seinen archaischen Armee- und Repräsentationsklimbim einfach zu sparen. Lieber streicht man Kindergartenplätze und kürzt Pensionen. Und keinen irritiert es. Nur: Sowas passt halt wirklich nicht in die klassische Stadtführung.

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Wir bedankten uns also nach 15 Minuten bei Hermes – und zogen alleine weiter. Und es war gut so: Athen kann was, wir waren schneller und beweglicher, durften uns hin und wieder ein bisserl verlaufen und dadurch auch Ungeplantes sehen – kamen aber doch immer sehr rasch auf die touristischen Trampelpfade zurück. Und hatten auf unsere Weise in unserem Tempo unseren Spaß an einer neuen Stadt.

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Freilich wunderten wir uns auch. Am meisten über eine Gruppe amerikanischer Studenten, die wirklich jedes Klischee vom ignorant-dämlchen US-Proll lebte: Sich an der Kasse für die Tickets zur Akropolis mit dem US-Pass auszuweisen und auf den Hinweis, dass US-Bürger wie alle anderen zahlen müssten, zu kontern „but we have student-visa for Italy“ ist vermutlich schwer zu toppen.

Egal. Außerdem war das ein paar anderen Amis in der Warteschlange ganz offensichtlich auch mehr als peinlich. Leider verabsäumte ich es, sie zu fragen, was „Fremdschämen“ auf englisch heißt. Dass sie es taten war aber offensichtlich.

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Wir wanderten weiter. Von der Akropolis zurück in die Stadt. Durch Gassen und Parks – zum Stadion: Hier werden wir morgen – wenn alles gut geht – einlaufen. Natascha nach 42,195 Kilometern. Ich leider nur nach 10. Wenn überhaupt: Meine Hüfte und meine Sehnenplatte spielen mir gerade einen wirklich bösen Retro-Streich.

Aber dagegen kann man nix machen – und daran, dass der Blick auf diese Zielkurve bombastisch ist, wird wohl niemand etwas sagen wollen. Oder können.

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Natascha wurde hier ein bisserl hibbelig: Sie werde, sagte sie, jetzt langsam nervös. Schließlich werde sie in ziemlich genau 24 Stunden hier durchs Ziel kommen – und nicht nur das Setting sei mehr als respektgebietend: Sie müsse sich erst darauf einstellen, dass sie hier morgen wohl einen Sommer-Marathon laufen wird. Mit viel Sonne. Und vielen Höhenmetern. Und überhaupt …

Ich wurde still. Denn ich bin traurig. Ein bisserl frustriert. Und neidig: Hier die Volldistanz zu laufen wäre – und ist – ein Traum. Nur ein Viertel davon zu machen, ist zwar auch nicht schlecht – aber eben doch nur ein Bruchteil vom Ganzen.

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In jedem Fall aber, meinte Natascha, sei es jetzt genug: Vor einem großen Lauf solle man eigentlichdie Beine schonen. Und wir hatten – obwohl nur einen halben Tag unterwegs – gerade genau das Gegenteil davon gemacht. Schlau, waren wir uns einig, war das vermutlich nicht. Aber unvermeidlich. Und ziemlich schön.

Mal sehen, was unsere Haxen morgen dazu sagen.

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